Hallo wunderbares Lesewesen, schön bist du da.
Es gibt unendlich viele Klischees rund um das Aussehen von Protagonisten.
- Die perfekte Schönheit, die keine Ahnung hat, dass sie schön ist. Sie braucht einen Mann (oder mehrere), der ihr dafür die Augen öffnet.
- Augen wie Smaragde oder andere Edelsteine, Kohlestücke oder Edelmetalle. Ein wirklich uraltes Klischee, vermutlich so alt, wie das Schreiben selbst.
- Sie braucht keine Schminke. Sie ist eine natürliche Schönheit. Ein Klischee, das ausserdem noch das Klischee bedient: «Sie ist nicht wie andere Mädchen/Frauen».
- Make-over. Sie trägt eine Brille und einen Pferdeschwanz. Ein Makeover später gefällt sie endlich dem Mann, weil sie offene Haare und Kontaktlinsen zu einem «schöneren» Menschen machen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit kennst du sie alle. Weitere Klischees gefällig, dann klick hier.
Es ist nicht verwunderlich, dass diese Schönheitsklischees so oft vorkommen. Als Autorin, wie auch als Lesewesen, verbringt man viel Zeit mit den Protagonisten, also lohnt es sich, wenn man die Fantasie anregt und sie begehrenswert macht. Das hat jedoch den Nachteil, dass unverbrauchte und klischeefreie Beschreibungen von äusserlicher Schönheit rar sind und die innere Schönheit selbst ein Klischee ist.
Das Klischee, das ich heute beleuchten will, hat damit zu tun, wie das blendende Aussehen eines Protagonisten sein Leben beeinflussen kann. Wie immer, wenn ich von Protagonisten, rede meine ich auch Protagonistinnen. Ja, und umgekehrt auch. Hier wird nicht diskriminiert.
Wir alle wissen, spätestens seit Aschenputtel, dass Schönheit viele Vorteile bringt. Ihr nettes Wesen brachte ihr magische Hilfe, die ihre äusserliche Schönheit zum Strahlen brachte. Das sicherte Aschenputtel die Ehe mit dem Prinzen. Aus unserer modernen Perspektive ist das kein sonderlich interessanter Anwendungsfall, aber er funktioniert, sonst gäbe es nicht tausende von Reinterpretationen und Neuverfilmungen dieses Klassikers.
Aber das gegenteilige Klischee gibt es auch. Was passiert, wenn die Schönheit zum Nachteil wird?
Schönheit wird zum Fluch
Das verbreitetste Beispiel dazu ist: Alle hassen die Protagonistin, weil sie schön ist. Oder alle sind eifersüchtig auf den gutaussehenden Frauenschwarm.
Dazu gibt es viele nervige Geschichten und Beispiele. Warum nervig, wollt ihr wissen?
Weil hier der Protagonist nur auf das Äussere reduziert wird und auch die Antagonisten automatisch zu Schablonen aus Pappe werden, die nur eine Emotion kennen. Sie ist schön und ich bin neidisch. Andere Eigenschaften brauchen wir anscheinend nicht.
„Hallo. Mein Name ist Neidi von Neidhammel, meines Zeichens Antagonistin. Ich habe keine Ziele, Motivationen und keine Geschichte, die nicht von meiner Eifersucht auf die Protagonistin gesteuert werden. Sie ist mein einziger Lebensinhalt. Keine Ahnung, was ich tat, bevor ich sie kannte. Vermutlich schminkte ich mich und trug hohe Absätze und war genauso wie alle anderen Frauen. Deswegen ist es auch 100% meine Schuld, wenn mich mein Freund mit der Protagonistin betrügt. Sonnenklar.“
Das war übrigens Sarkasmus.
Aber das ist nicht das einzige Problem dieses Kilschees. Es wird oft nicht nur der Charakter der Figur ausgehöhlt, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit untergraben. Wir nehmen Leute nicht ernst, die sich pausenlos darüber beschweren, was für eine Bürde ihr makelloses Aussehen doch ist. Das wird nicht besser, bloss weil es in einem Buch vorkommt. (Willst du mehr erfahren über Realismus in erfundenen Geschichten? Hier klicken.)
Die Leser werden die Geschichte nicht ernst nehmen, wenn der Protagonist sich über seine eigene Schönheit und die Neider beklagt. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl dieses Klischee gut umzusetzen, ohne billig zu wirken und entsprechend gibt es sehr wenig gute Beispiele dazu, obwohl es spannende Optionen bietet.
Die guten Beispiele:
- Belle von „Schöne und das Biest». In der Disney Version erregt ihre Schönheit viel Aufmerksamkeit und Gastons Eifersucht ist nicht ohne. Aber Belle ist mehr als nur ihre Schönheit.
- Esmeralda von „Glöckner von Notre Dame». Ohne ihre Schönheit würde die ganze tragische Geschichte nicht passieren.
- Buttercup in „Princess Bride». Hier wird dieses Klischee auf die Schippe genommen. Sehr gelungen.
- Bulma von «Dragon Ball»: Zumindest ist sie der Ansicht, dass ihre Schönheit ein Fluch sei, wobei die anderen Figuren, ihre Meinung über ihr Aussehen nicht teilen. Gelungene Abwechslung. Also eigentlich ein Spiel mit dem Klischee.
Aber das Klischee kann mehr als das.
Nämlich kein Klischee mehr sein, wenn man Variationen einbaut. Zum Glück habe ich dir heute gleich vier Anwendungsfälle mitgebracht.
Gutes Aussehen kann zu auffällig sein, wenn man unauffällig sein muss. Wenn unsere schöne Heldin auf der Flucht ist, aber ihr Äusseres so auffällt, dass alle wissen, wer sie ist und sie sich hässlich machen muss.Zum ersten Mal erlebt sie, was das heisst. Das kann interessant sein.
Oder wenn die Protagonisten wegen des guten Aussehens Stalker oder Vergewaltiger anziehen. Dann können sie ihr eigenes Aussehen fürchten, während sie den Neid anderer über sich ergehen lassen müssen. Oder aber sie müssen sexuelle Übergriffe auf sich verharmlosen, um damit klarzukommen. Sehr finster.
Ein andere Anwendungsfall, den man in historischen Romanen oft sieht: Das gute Aussehen eines Protagonisten, soll genutzt werden, um die Existenz der Familie finanziell zu sichern. Entweder indem man erwartet, dass sie ihr Aussehen nutzen, um gut einzuheiraten. Oder man zwingt sie in die Prostitution oder ins Rampenlicht. Das Spektrum reicht hier von lockeren Romantikgeschichten, bis hin zu düsteren Horrorszenarien.
Wenn die Schönheit zum Fluch wird, kann man den Protagonisten auch in die Rolle des Antihelden schlüpfen lassen. Im Sinne von: „Mein Aussehen hat mir nur Ärger gebracht, jetzt nutze ich es, um anderen Ärger zu machen.“ Leider habe ich diesen Fall viel zu selten gesehen.
Der klischeefreie Fluch der Schönheit:
- Alatiel von Decamerone ist ein Beispiel in extremer Form. Niemand kann die babylonische Prinzessin anschauen, ohne sie vergewaltigen zu wollen.
- Sasuke von «Naruto». Er bekommt mehr Aufmerksamkeit als er will und oft werden ihm sexuelle Avancen aufgedrängt gegen seinen Willen. Insofern interessant, da das die Rolle ist, die sonst weiblichen Protagonisten zuteil wird.
- Sansa Stark «A Song of Ice and Fire». Ja, auch die 11-jährige Sansa bezahlt ihren Preis dafür, dass sie es wagt schön zu sein.
- Laure das «Parfüm». Die beste Umsetzung von Schönheit ist ein Fluch, die ich kenne. Alle glauben, es ist ihre Schönheit, die den Mörder anzieht, dabei ist es ihr Geruch.
Wollt ihr mehr Klischees? Dazu gibt es mehr in einem anderen Artikel, denn dieser hier ist zu Ende.
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Liebe Grüsse, Patricia