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Manuskript kürzen oder verlängern? Wieso und wie?

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Hallo wunderbares Lesewesen, schön bist du wieder da.

Hast du per Zufall ein Buch geschrieben, aber dein Manuskript wird von Agenten und Verlagen abgelehnt?

Natürlich kann das viele Gründe haben. Von Trends, über persönliche Preferenz spielt alles eine Rolle. Aber was mich am meisten erstaunt hatte, dass auch die Länge des Manuskripts ein Ablehnungsgrund sein kann.

Patricia Prezigalo Manuskripte wühlen

Das hat mich so stark beschäftigt, dass ich mein Wühlmauskostüm gezückt habe und mich durch Berge von Informationen gewühlt und sogar Agenturen befragt habe. Die Ergebnisse präsentiere ich dir hier.

Bitte denk daran, dass ich weder für einen Verlag noch für eine Agentur arbeite und alle Informationen nur Second-Hand erhalten habe. Ich hoffe sie sind trotzdem nützlich.

Auf die richtige Länge kommt’s an….

Die Länge ist wichtig für die Vermarktbarkeit deines Buches. Es ist also nicht nur nötig die Länge im Auge zu behalten, wenn du einen Verlag suchst, sondern auch fürs Selfpublishing.

Nach intensiver Recherche habe ich herausgefunden, dass die ideale Länge für Bücher, die sich durchs Band am besten verkaufen, sind

200-500 Seiten.

  • Ist dein Buch kürzer besteht die Erwartung der Leserinnen, dass es günstiger sein muss, obwohl es keinen grossen Unterschied zu den Produktionskosten eines dickeren Buches gibt. Sie werden es nicht kaufen oder sich abgezockt fühlen.
  • Ist euer Buch länger, dann kann das abschreckend sein. Ausserdem kann die Produktion eines 600+ seitigen Buches im Verhältnis viel mehr kosten, was sich nicht unbedingt auf den Ladenpreis abwälzen lässt. Und das drückt die Gewinnspanne.

In beiden Fällen werden es sich die Verlage zweimal überlegen dein Manuskript anzunehmen. Es ist nicht unmöglich, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie euer Werk nehmen. Klar mit der Formatierung kann man schummeln, um auf 200 Seiten zu kommen oder unter 500 Seiten zu bleiben, aber das hat seine Grenzen.

Die definitive Seitenzahl kann schwer zu schätzen sein. Deswegen wollen die Verlage ja, dass die Manuskripte in Normseiten eingesandt werden. Aber ich habe nicht aufspüren können, wieviele Normseiten 200-500 Buchseiten sind. Stattdessen habe ich für den englischen Buchmarkt, der mit der Anzahl Worte rechnet, eine Antwort gefunden. In Worten ausgedrückt sollte euer Manuskript nur in Ausnahmefällen unter 50’000 haben oder mehr als 120‘000 Worte.

Die optimale Länge gilt gemeinhin 80‘000 bis 100‘000 Worte.

Es gibt aber je nach Genre leichte Unterschiede in der vertretbaren Länge: Krimis, Thriller sollen angeblich am besten bedient sein mit: 90‘000-100‘000, Liebesromane mit 70‘000-90‘000, Fantasy mit 80‘000-120‘000 und Jugendbücher 55‘000-90‘000 Worten.

Aber Patricia…

Ich weiss, was ihr sagen wollt, dass sehr erfolgreiche Romane mehr Worte oder aber weniger gebraucht haben. Schon klar. Aber es ist klüger, wenn ihr damit rechnet die Regel zu sein und nicht die Ausnahme.

Selbst J.K. Rowling hat in ihren ersten zwei Büchern, die empfohlene Anzahl von Worten für Jugendbücher genau eingehalten (Englische Ausgaben):

  • Harry Potter und der Stein der Weisen: 76‘944 Worte.
  • Harry Potter und die Kammer des Schreckens: 85‘141 Worte.

Erst als sie berühmt wurde, hatte sie die nächsten Bücher in der Serie viel umfangreicher gemacht und z.T. auch Kritik dafür geerntet.

Manuskripte Länge Harry Potter

Ich hatte schon zu lange und zu kurze Manuskripte geschrieben. Die Quellen der Traurigkeit musste ich um 20’000 Worte kürzen und Liebe ist blind musste ich um 40‘000 verlängern. Ich habe mir für beide Fälle ein paar Techniken angeeignet, die ich gerne mit euch teile.

Wie kürzte ich mein Manuskript?

Überarbeitung:

1. Füllwörter sowie überflüssige „und“ rigoros streichen. (Das summiert sich und verbessert den Lesefluss.)

2. Doppelte und dreifache Adjektive weglassen. Niemand muss wissen, dass er einen roten, kratzigen, alten Pulli trug. Es reicht ein Adjektiv, das im Kontext der Geschichte am wichtigsten ist. Im Ausnahmefall zwei.

3. Wiederholungen gnadenlos ausmerzen, mit wenigen Ausnahmen.

4. Kennst du die gelungene Szene oder den witzigen Dialog, die super klingen, aber leider keine oder bloss eine minimale Funktion in der Geschichte erfüllen? Ja? Dann streich sie. Musste ich auch tun. Schweren Herzens.

5. Sicherstellen, dass deine Szenen und Dialoge mehrere Funktionen erfüllen. Sie sollten z.B. die Handlung vorantreiben und den Charakter einer Person enthüllen, sowie einen Einblick in ihre Lebensumstände zeigen. Wenn sie das nicht tun, habe ich ähnliche Szenen zusammengelegt.

6. Charaktere eliminieren, die nichts zur Handlung beitragen.

7. Erklärungen, Rückblenden und Beschreibungen kürzen. Wir müssen uns nich jeden Zweig bildhaft vorstellen können und jedes einzelne Kleidungsstück einer Figur kennen. Weniger ist oft mehr.

8. Manchmal braucht es lange Sätze, aber nicht jedes Mal. Also kürzen.

Die Taste zum Löschen war meine neue beste Freundin sein. Und ich habe einen Friedhof angelegt, für alle gelöschten Szenen. In einem Word Dokument, das ich Friedhof genannt habe. Ich habe nicht wirklich den Garten umgegraben und mein Manuskript beerdigt.

Wie können Betaleser helfen?

  • Frag deine Betaleser, welche Stellen langatmig wirken und dann kürzt oder streicht ihr diese.
  • Du hast alles gegeben, aber die Geschichte ist trotzdem noch zu lange?

Dann prüfe, ob du aus deinem Manuskript zwei Bücher oder mehre machen kannst. Vielleicht ist da drin noch eine Geschichte versteckt, von der du noch nichts wusstest.

Wie habe ich mein Manuskript verlängert?

Bevor wir uns ans Verlängern machen habe ich einen wichtigen Hinweis.

Das Buch soll bitte länger werden und nicht langweiliger.

D.h. ich musste darauf achten, dass das Hinzugefügte etwas bewirkt in der Handlung oder im Protagonisten, ein Geheimnis enthüllt oder zumindest einen wichtigen Punkt oder eine Entwicklung illustriert. Nur Füllermaterial schreiben, um das Buch zu verlängern, bringt nichts, da das niemand lesen will.

Wie verlängerte ich das Manuskript, während der Überarbeitung?

1. Show vs. Tell, also zeigen vs. erzählen. Emotionen und Situationen zu zeigen, anstatt sie zu erzählen, ist immer länger. Vergleicht: Es war Sommer, als sie…. VS. Der Asphalt flimmerte in der Hitze. Die Sonne brannte erbarmungslos auf ihren Rücken, als sie… Das war schwierig für mich.

2. Ich habe mir die Haupthandlung angeschaut. Ist der Bösewicht in einem Kapitel zu besiegen? Klappen die Pläne auf Anhieb? Erreicht meine Protagonistin ihre Ziele, ohne nennenswerte Opfer? Dann war meine Handlung zu überstürzt. In meinem Fall waren es keine strukturelle Schwächen, aber das kann durchaus auch der Fall sein.

3. Nebenhandlungen einfügen, die mit der Haupthandlung harmonieren. Wie z.B. eine Liebesgeschichte in einem Krimi oder aber die Romanze einer Nebenfigur im Liebesroman. Wenn du schon eine Nebenhandlung habt, so wie ich sie hatte, dann prüfe, dass diese auch eine Entwicklung durchmacht und nicht unfertig oder überstürzt wirkt.

4. Wie steht es um die Protagonisten? Zeigt ihr sie manchmal mit ihren Hobbys und Freunden, in Szenen, die ihren Charakter zeigen und ihnen helfen die Handlung voranzutreiben? Ja, toll. Ich auch, aber zu wenig, da hatte es noch Luft nach oben.

5. Dialoge. Ein guter Dialog muss mehrere Funktionen erfüllen. Aber er muss auch die Stimmung der Charaktere zeigen. Was tun die Sprecher, während sie reden? Stehen sie stocksteif herum und referieren? Wie fühlen sie sich während sie reden? Haben sie Marotten beim Sprechen?

Wie du siehst, ist es viel anspruchsvoller einem Buch mehr Material hinzuzufügen, als wegzunehmen. Das dauert. Ich hatte mir schon mehrfach überlegt, das Manuskript auf dem Friedhof in meinem Garten zu begraben.

Wie können Betaleser helfen?

  • Bekommen sie ein Gefühl für die Szene, wo sind die Protagonisten, wie sieht es dort aus? Nein? Prima, beschreibt den Ort und die Stimmung.
  • Können sie sich die Figur vorstellen, Kleidung, Aussehen, Stimmung? Wenn die Antwort darauf nein ist, dann dürft ihr Beschreibungen hinzufügen. Hurra.
  • Gibt es Stellen im Buch, wo die Handlung unklar oder konfus wirkt: Toll, das könnt ihr genauer erklären.
  • Verstehen sie die Figur nicht? Evtl. braucht es mehr Substanz, inneren Monolog oder aber eine Hintergrundgeschichte.

Du hast alles gegeben, aber das Manuskript liegt immer noch unter 50‘000 Worten? Widerstehe der Versuchung Füllmaterial einzufügen und lass es so stehen. Gut ist, wenn es dir gefällt.

Und das Wichtigste:

Bitte denkt daran, dass diese Techniken für mich funktioniert haben. Ich erhebe nicht, den Anspruch zu wissen, was für euch funktioniert oder richtig ist.

Und wenn ihr überzeugt seid von eurem Werk, obwohl es zu kurz oder zu lang ist, dann versucht trotzdem euer Glück. Was ein gutes Buch ausmacht ist sehr subjektiv und lässt sich nicht mit einer Anzahl Worten oder Seiten quantifizieren. Das wissen auch die Verlage.

Aber dazu mehr in einem anderen Artikel, denn dieser hier ist zu Ende. Vielen Dank dafür, dass du bis zum Schluss gelesen hast. Wenn dir mein Beitrag gefallen hat, dann schenk mir doch ein Like, ein paar Sterne oder teile ihn mit deinen Freunden.

Ich poste jede Woche einen neuen Beitrag rund ums Thema Schreiben, Geschichtenerzählen und alles drumherum. Sei dabei, oder auch nicht, ich bin nicht deine Chefin. Aber ich würde mich freuen dich wiederzusehen.

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