Hallo wunderschönes Lesewesen, schön bist du da.
Bisher haben wir immer darüber gesprochen wie Portagonistinnen (ja, Protagonisten auch) idealerweise sein solten. Und mit «WIR» meine ich, «ich» und mit «darüber gesprochen», ist offensichtlich gemeint «ich habe in meinem Kämmerchen ganz für mich allein darüber geschrieben». Und mit «idealerweise» meine ich «das, was mir gefällt». Falls ihr die Beiträge nachlesen wollt:
Und jetzt schauen wir uns den umgekehrten Fall an. Eine Protagonistin, die so perfekt ist, dass sie einfach nur nervt. Besser bekannt unter dem Namen: Mary Sue.
Und ja mit «wir» meine ich wieder nur mich.
Woher kommt der Begriff Mary Sue?
Der Ausdruck Mary Sue kommt ursprünglich aus dem Genre der Fanfiktion. Also aus dem Bereich, in dem Fans eines Buches, Films, einer Band etc. eigene Fortsetzungen spinnen, oder sich neue, bzw. alternative Geschichten im gleichen Setting ausdenken und niederschreiben.
Die ursprüngliche Mary Sue war die Protagonistin in „A Trekkie’s Tale“ von Paula Smith, einer Parodie auf Star-Trek-Fan-Fiction-Geschichten, die 1973 im Magazin Menagerie #2 veröffentlicht wurde. (Quelle Wikipedia).
Durch die Popularität dieser Geschichte wurde Mary Sue zum abfälligen Oberbegriff für alle Protagonisten, die eine idealisierte (meist schlecht geschriebene) Selbstprojektion des Autors sind. Eine Selbstprojektion ist nicht zwingend etwas Schlechtes. Es gibt genug positive Beispiele.
Das Problem beginnt dann, wenn der Charakter zu fantastisch, wunderschön, talentiert, edelmütig, unglaublich, einzigartig und beliebt ist, dass er nervt. Dann wird eine Mary Sue daraus und die ist nicht nur in Fanfiktionen anzutreffen.
Was ist eine Mary Sue?
Eine Mary Sue kann alles, sieht alles, weiss alles und isst wahrscheinlich alles. 😉
Alle lieben und respektieren sie, die Welt dreht sich um sie und die Realität verbiegt sich für sie, damit sie erstrahlen und alles bekommen kann. Sie ist die ultimative Allmachtsfantasie eines Autors oder Autorin.
Eine Mary Sue ist eine Figur (männlich/weiblich oder divers), die die Glaubwürdigkeit der Geschichte gefährdet mit ihrer Perfektion und der ungerechtfertigten Vorzugsbehandlung. Lesewesen sollen sie bewundern, beneiden oder bemitleiden, nicht verstehen.
Woran erkenne ich eine Mary Sue?
Natürlich gibt es noch andere Kennzeichen für Mary Sues, aber die hier erwähnten, treffen wir am Häufigsten an und sie geniessen deswegen den grössten Konsens.
1. Muss keine echte Herausforderungen meistern
Nicht alle können es sofort sehen, aber wenn dir das ins Auge sticht, kannst du es nicht mehr ausblenden. Dann verdirbt es oft die ganze Geschichte, wenn die Figur keine echte Herausforderungen meistern muss.
Jedes Problem, jeder Antagonist, jedes Hindernis, jede Behinderung wird spielend einfach und blitzschnell aus Welt geschafft, damit Mary Sue zeigen kann, wie toll sie/er ist.
Beispiele:
- Sie ist die Beste der Besten, muss aber nicht viel dafür tun. (Isst nur ungesundes Zeug, treibt keinen Sport ist aber schlank und fit. Oder, er ist muskulös, muss nie dafür trainieren.)
- Schmerzen und andere Beeinträchtigungen sind nur dann da, wenn sie den Verlauf der Geschichte nicht stören und verschwinden in den wichtigen Momenten, wie von Zauberhand.
- Mary Sue hat ein besonderes Talent, das sie aufgrund des Alters, der Umstände etc. realistisch nicht haben kann. (Ein paar Kampfstunden und schon fegt er alle Rivalen vom Platz, die schon ein Leben lang trainieren und stärker sind)
- Alle Pläne klappen beim ersten Versuch und an wichtigen Aufgaben kann sie niemals scheitern.
- Wenn sie Rückschläge einstecken muss, werden sie minimal sein oder die Geschichte kaum beeinflussen.
- Niemand kann sich mit ihr/ihm messen.
- Was Mary Sue braucht, bekommt sie/er auch: Macht, Talent, Fähigkeiten, Reichtum, Prestige, Liebhaber.
- Keine wichtige Entscheidung ist falsch oder muss bitter bereut werden.
- Die Figur hat keine Fehler, die ihre Ziele nachhaltig in Gefahr bringen können. (Ungeschicklichkeit zählt nicht, wenn sie in Kampfszenen verschwindet.)
2. Unverdienter Respekt
Das zweite Kennzeichen deklassiert einen Protagonisten sofort und macht ihn unglaubwürdig, weil es das offensichtlichste ist.
Es ist die Reaktion der anderen Figuren auf Mary Sue. Ich nenne es auch: Alle lieben Mary Sue, ausser den Bösen.
Eine Variante, die in letzter Zeit häufig aufgetaucht ist, ist das Gegenteil davon. Alle, aber auch wirklich alle hassen Mary Sue, ohne Ausnahme, bis sie Freunde findet, die kritiklos zu ihr stehen.
Beispiele:
- Alle merken auf den ersten Blick, wie besonders einzigartig Mary Sue ist. Alle sehen ihre Einzigartigkeit und eilen ihr sofort zu Hilfe, auch wenn es ihnen selbst schadet oder sie Familie und Freunde dafür im Stich lassen.
- Die Figur hat ein besonderes Talent, das niemand sonst hat. Es ist nicht wichtig für die Geschichte, aber zeigt wie Besonders sie ist und alle lieben oder hassen sie dafür.
- Sie wird von allen geliebt, obwohl sie andere schlecht behandelt.
- Alle hören auf Mary Sue, auch, wenn sie keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet hat und besser qualifizierte Leute zugegen sind.
- Alle Gemeinheiten sind charmant und gerechtfertigt. Denn sie ist fantastisch selbstlos und liebenswert. Niemand würde ihr je unterstellen nicht perfekt zu sein, ausser den abgrundtief Bösen.
- Die Welt fast aller anderen Figuren, auch der Antagonisten dreht sich um Mary Sue. Und sie muss dafür nichts tun – auftauchen und schon loben sie alle in den Himmel oder hassen sie aus tiefster Seele.
- Niemand misstraut ihr, selbst wenn sie von Mary Sue entführt oder niedergeschlagen werden.
- Alle bewundern sie und befassen sich intensiv mit ihr, noch bevor sie sie kennenlernen.
- Alle anderen Figuren müssen sich Anerkennung über Jahre verdienen, aber Mary Sue wird grundlos bevorzugt.
3. Keine realistischen Konsequenzen
Das ist sehr schwierig zu erkennen, besonders in einer Geschichte, die man selbst geschreiben hat. Mary Sue muss selten, wenn überhaupt, mit realistischen Konsequenzen für ihre Handlungen rechnen.
Beispiele:
- Sie geht nur auf Partys und lernt nie, trotzdem promoviert sie mit guten, ach was, den besten Noten.
- Auch wenn sie gemein ist, verzeihen ihr die anderen sofort, weil sie ihr gutes Herz sehen. Niemand ist wütend und wenn doch, dann nicht lange.
- Sie kann Leute verletzen, zusammenschlagen oder ihnen schaden. Und es ist okay, schliesslich war die Person einmal fies zu Mary Sue. Alle verstehen das und geben dem Opfer die Schuld.
- Die Figur beleidigt den besten Freund einer Person. Die Person hält selbstverständlich zu Mary Sue und nicht zu ihrem Kindheitsfreund. Der andere hat einen Dämpfer verdient.
- Alle sind auf Mary Sues Seite.
- Sie wird von allen gehasst, schlecht behandelt, gemobbt und hat die tragischste Kindheitsgeschichte von allen. Selbstverständlich ist Mary Sue nicht traumatisiert und es beeinflusst nie ihr Verhalten, ausser dann, wenn sie Mitleidspunkte braucht.
- Mary Sue verursacht massiven Sachschaden, im Bestreben jemanden zu retten. Ja, die Polizei kommt niemals vorbei. Strafanzeige? Nein. Es wird nie mehr erwähnt, dass das passiert ist.
- Was auch immer sie anstellt, es wird nie ihre Chancen auf einen Job, Wohnung, Freundschaften, Kredite oder Liebe nachhaltig beeinträchtigen.
Und jetzt, was heisst das?
Nun, wie immer heisst die Grundregel: Schreibe, was dir Spass macht und gefällt.
Nicht jede Mary Sue ist ein Problem für die Geschichte. Die beiden berühmtesten Beispiele dafür sind Mary Poppins und James Bond. Beide Figuren erfüllen folgnde Kirterien:
- Muss keine echte Herausforderungen meistern
- Unverdienter Respekt
- Keine realistischen Konsequenzen
Was genau eine Mary Sue ausmacht und welche Roman- oder Filmfiguren Mary Sues sind, bleibt nach wie vor umstritten, da diese Kriterien nicht objektiv zu messen sind.
Ab wann ist die Bewunderung oder der Hass grundlos? Was heisst ein Hindernis zu einfach bewältigen? Was sind im Kontext einer erfundenen Geschichte realistische Konsequenzen? Klar, die Extreme erkennen alle sofort, aber es gibt eine grosse Grauzone mit viel Interpretationsspielraum.
Woher kommt dann der schlechte Ruf der Mary Sue? Weil sie die Geschichte kaputt machen kann. Sie biegt ihre Umwelt und die Handlung so zurecht, dass sie ihr zudienen und sie im besten Licht erscheinen lassen oder sie bekommen kann, was sie will. Dadurch wird die Geschichte oft langweilig, weil der Konflikt weg ist und der Protagonist unglaubwürdig wird.
Wichtig zu wissen ist, dass Mary Sues nicht einfach starke und talentierte weibliche Protagonistinnen sind. Es ist nicht immer eine Sie, männliche Protagonisten sind genauso oft eine Mary Sue. (Manchmal auch Gary Stu genannt).
Aber dazu mehr in einem anderen Artikel, denn dieser hier ist zu Ende. Vielen Dank dafür, dass du bis zum Schluss gelesen hast. Wenn dir mein Beitrag gefallen hat, dann schenk mir doch ein Like, ein paar Sterne oder teile ihn mit deinen Freunden.
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